Tag 19 - Das lange Warten und die Notunterkunft

Die Planung des Tages wird schon bei der ersten Schleuse über den Haufen geworfen. Schliesslich landen wir im Nirgendwo und übernachten ruhelos.

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Tag 19 - Das lange Warten und die Notunterkunft

Freitag 29.10.2021
Wetter: Sonnig
Windstärke: 2-3
Motorstunden: 5.5 h
Distanz: 21 km
Schleusen: 3 (Dörpen, Bollingerfähr, Herbrum)
Route:

Dörpen - Rhede

Nach einer ruhigen und erholsamen Nacht in Dörpen planen wir den heutigen Tag. Wir müssen eine Schleuse durchfahren, um vom Küstenkanal in die Ems zu gelangen. Dann geht es die Ems talwärts. Nach weiteren zwei Schleusen sind wir in dem Teil der Ems, der den Gezeiten unterworfen ist. Das heisst, dass wir nach der letzten Schleuse auf die Tide achten müssen. Wir planen, nach Weener zu fahren. Das ist ein Yachthafen mit Schleuse. Diese kann jedoch wegen der Gezeiten nur von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet werden. Das bedeutet, dass wir nicht zu früh losfahren können, aber trotzdem genügend Zeit für Wartezeiten vor den Schleusen einplanen müssen. Ein heikles Unterfangen. So starten wir um 11:00 Uhr mit genügend Zeitreserve. Genügend ...?

Abschied von Dörpen

Allerdings wird diese Zeitreserve vor der Schleuse Dörpen bereits strapaziert: Wir können dort wegen der vielen Berufsschiffe erst gegen 13:00 Uhr schleusen. Bald sind wir auf der Ems und fahren gegen die Schleuse Bollingerfähr zu. Wir versuchen dort anzurufen, aber es heisst "Nummer unbekannt". Wir prüfen die Nummer in der Navigationssoftware. Sie ist richtig. Dann prüfen wir noch online bei elwis.de, der offiziellen Website des Binnenschifffahrtsamtes. Dort steht die gleichen Nummer. Wir versuchen es nochmals: "Nummer unbekannt". Hätten wir doch Funk. Glücklicherweise nähert sich ein weiteres Sportboot. Wir fragen sie, ob sie uns mit anmelden könnten. Das tun sie gerne, und schon bald öffnet sich das Schleusentor und wir können einfahren. Erstmals schleusen wir an Spundwänden. Diese haben unangenehme Nischen, in denen sich die Fender verstecken können. Aber dafür gibt es Stangen, an denen wir festmachen können. Die Leinen rutschen an diesen Stangen nach unten, so dass wir die Leinen nicht umlegen müssen. Zudem ist der Hub mit ca. 2 m nur gering. Nach der Schleuse geht es weiter die Ems abwärts bis zur letzten Schleuse Herbrum. Dort rufen wir wieder an. Der Schleusenwärter rät uns von einer Schleusung ab. Im Unterwasser der Schleuse ist noch Ebbe, und das Wasser ist so verschlickt, dass es uns den Seewasserfilter verstopfen könnte. Er rät uns, etwa 40 Minuten zu warten und dann hinter einem grossen Frachtschiff zu schleusen. Zum Warten können wir an einem Arbeitsschiff anlegen, das nicht im Dienst ist. Wir befolgen natürlich diesen Rat, obschon wir wissen, dass die Zeit sehr eng wird, um den geplanten Hafen Weener zu erreichen.

Nach der vereinbarten Zeit wechseln die Lichter der Schleuse auf Grün, das Berufsschiff wirft die Motoren an und schleicht in die Schleuse. Es ist riesig, und links und rechts bleiben ihm in der Schleuse noch ca. 30cm Luft. Keine Ahnung, wie man ein solches Riesending so präzis steuern kann. Aber wir setzen nach und legen uns hinter dem Heck des Kahns an die Schleusenwand.

In der Schleuse Herbrum

Die Schleusung klappt gut, so dass wir uns nun auf die letzten 20 km machen können. Allerdings haben wir das Berufsschiff vor uns und die Strömung gegen uns. Damit schaffen wir höchstens 8 km/h. Nach einer Weile rechne ich die Ankunftszeit in Weener aus. Das reicht nicht mehr für eine Schleusung!

Wir müssen eine Notlösung finden. Unterwegs gibt es noch den Hafen Rhede, ebenfalls mit einer Schleuse. Wir rufen dort an, und der Hafenmeister meint, wir hätten noch einen Anlegeplatz im Hafen. Allerdings ist die Wassertiefe im Hafen recht knapp für unser Boot, aber er meint, es sollte zu schaffen sein. Als wir dort ankommen, wird zwar die Schleuse geöffnet, aber vor der Schleuse ist das Wasser zu niedrig. Der Bug gräbt sich in den Schlick, so dass wir zurücksetzen und am Wartesteg festmachen. Zudem sehen wir, dass die Schleuse kaum breiter ist als das Boot. Hm! Wir gehen zum Hafenmeister, der gleichzeitig Schleusenwärter ist und besprechen die Sache. Die Schleuse ist 4.5 m breit. Wir müssten also ohne Fender durch und hätten auf beiden Seiten nur 25 cm Luft. Das wird schwierig. Zudem müssen wir warten, bis der Wasserstand höher ist. Aber trotzdem sollten wir noch bei Tageslicht durch die Schleuse fahren können. Wir warten und werden die Situation um 18:00 Uhr neu besprechen.

Haarsträubende Schleuseneinfahrt in Rhede

Kurz nach 18:00 Uhr sehen wir, dass das Wasser nur noch wenig angestiegen ist. Diese Schleusenübung wollen wir uns und dem Charterboot nicht zumuten. Wir entscheiden uns, an dem Wartesteg zu übernachten, obwohl dort das Wasser bei Niedrigwasser so niedrig ist, dass unser Boot auf dem Schlick aufsetzt. Der Schleusenwärter beruhigt uns, dass dabei weder dem Boot noch uns etwas passieren wird. Er hätte in seiner ganzen Laufbahn noch kein Problem erlebt. Auf diese Einschätzung müssen wir als Ortsunkundige auch diesmal vertrauen.

Wir bereiten uns auf eine schlaflose Nacht vor. Ebbe ist um 01:30 Uhr. Ich rechne aus, dass unser Boot etwa von 23:00 - 03:30 festsitzen wird. In dieser Zeit können wir schlafen, da wird der Kahn so ruhig liegen wie sonst nie auf unserer Reise. Wir müssen nur die Leinen zwischendurch prüfen, obschon der Steg ebenfalls schwimmt und sich mit uns nach unten und wieder nach oben bewegt. Trotzdem bleibt die bange Frage, ob das Boot am Morgen wieder normal schwimmt und alles funktioniert und ob wir dann bei Hochwasser aus dem Vorhafen kommen. Aber es ist schon bald Halloween, etwas Grusel soll uns offenbar nicht erspart bleiben. Morgen sehen wir weiter.