Tag 27 - Heimfahrt und Rückblick

Die Heimfahrt verläuft fast reibungslos. Wir fassen die Reise zusammen und beurteilen das Abenteuer im Rückblick.

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Tag 27 - Heimfahrt und Rückblick

Freitag 06.11.2021

Der Tag der Heimfahrt beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück im Hotel. Danach wird fertig gepackt, ausgecheckt und zum naheliegenden Busbahnhof verschoben. Dort nehmen wir den Express-Bus nach Heerenveen. Der Bus fährt die Strecke grossenteils auf der Autobahn, und so dauert die Reise nur eine halbe Stunde. Am Bahnhof Heerenveen bleibt uns genügend Zeit zum Umsteigen auf den Zug. Wir merken aber, dass dieser Umstieg nicht so einfach ist, wie wir uns das vorstellen. Auf das Perron gelangt man nämlich nur durch Gates, ähnlich wie bei den U-Bahnen dieser Welt. Nur wer über ein von der Anlage maschinenlesbares Ticket verfügt, kann diese Gatter öffnen. Und unser von der SBB ausgestelltes internationales Ticket, auf Papier ausgedruckt, wird natürlich von der Anlage nicht erkannt.

Nun am Samstagmorgen ist am Bahnhof niemand erreichbar, der uns helfen könnte. Schliesslich löse ich einfach zwei möglichst günstige Tickets in die nächste Ortschaft. Damit öffnen sich die Gates, und wir können den Zug besteigen. Das Umsteigen in Zwolle ist problemlos, und auch in Almelo können wir ohne weitere Probleme den Intercity nach Hannover besteigen. Dort wechseln wir auf einen hypermodernen ICE, der uns nach Basel bringen soll. Erstaunlicherweise ist der Zug auf allen Stationen via Kassel, Frankfurt, Mannheim bis Karlsruhe pünktlich. Wir freuen uns schon, dass wir plangemäss in Basel ankommen werden. In Karlsruhe hören wir dann die Durchsage, dass der Zug wegen Gegenständen auf den Geleisen nicht weiterfahren kann. Es muss zugewartet werden, bis die Polizei die Strecke wieder freigibt. Das führt schliesslich zu einer Verspätung von 40 Minuten. Die Deutsche Bahn hat also in letzter Minute ihr Image gerettet.

So treffen wir kurz vor Mitternacht zuhause ein. Wie immer sind wir glücklich, dass unsere Reise erfolgreich abgeschlossen werden konnte und wir gesund und munter daheim sind.

Nun wollen wir einen kurzen Rückblick auf die Reise machen. Beginnen wir mit der statistischen Zusammenfassung:

Zurückgelegte Strecke: 876.5 km
Fahrstunden: 106.5 h
Anzahl Schleusen: 22
Schleuse mit dem grössten Hub: Hohenwarthe mit 19 m
Verbrauchter Diesel: 499 l
Durchschnittlicher Verbrauch: 5.7 l pro Fahrstunde (inkl. Heizung)
Anzahl Übernachtungen auf dem Boot: 24

Insgesamt waren wir mit dem Boot einigermassen zufrieden. Der Motor lief zuverlässig, obschon er für die Grösse des Bootes mit 75 PS etwas schwach ausgelegt war. Geschwindigkeiten über 10 km/h waren nur mit externer Unterstützung möglich (Strömung, Tide). Die Einrichtung war für zwei Personen in Ordnung. Obschon es Schlafplätze für sechs Personen gibt, möchte ich niemandem zumuten, in den zwei zusätzlichen engen Schlafkammern eine solche Reise zu überstehen. Die sind höchstens für Kinder bis ca. 10 Jahre geeignet.
Der Fahrstand ist für längere Fahrten ungeeignet. Der Rundumblick ist nicht sehr gut, und die Sitzbank ist schlicht eine Zumutung. Wie oft habe ich mir während der Fahrt meinen Gamer-Sessel zuhause im Homeoffice gewünscht! Auf dem Boot kann man während der Fahrt immerhin zwischendurch aufstehen und sich die Beine vertreten oder streckenweise auch neben dem Steuerrad stehen und so fahren.

Aufgrund der bereits recht kalten Jahreszeit hatte die Heizung alle Hände voll zu tun, um das Boot einigermassen auf Temperatur zu halten. Am Morgen oder bei Regen beschlugen die Fenster jedoch stark, so dass immer jemand mit einem Lappen durchs Boot rannte und wir auch die Tür im Heck und zusätzlich die Dachluken öffnen mussten, um etwas Durchzug zu schaffen. Das führte dazu, dass wir jeweils die ersten Kilometer in voller Montur mit mehreren Schichten Pullover und Jacke fuhren. Das Beschlagen der Scheiben ist generell ein Problem in Booten, das nur mit Isolierglas und einer guten Lüftung in den Griff zu bekommen ist. Charterboote sind da natürlich möglichst kostengünstig eingerichtet und auf die warme Jahreszeit ausgelegt.

Wenn wir nochmals starten würden, würden wir auf eine bessere Ausrüstung in Sachen Fender und Leinen bestehen. Davon hatten wir zu wenig, so dass wir je nach Situation immer wieder Leinen oder Fender von Backbord nach Steuerbord oder umgekehrt umhängen mussten. Am Bug müssen zudem mindestens zwei Kugelfender ausgehängt werden können, um das Boot zu schützen. Davon hatten wir jedoch nur einen, und der kam uns bereits nach der vierten Schleuse abhanden.

Die Reise selber war für uns ein langanhaltendes Bootstraining, so dass wir uns nun nicht mehr als blutige Anfänger bezeichnen müssen. An- und Ablegemanöver in den verschiedensten Varianten sind uns nun vertraut. Das Durchfahren der unterschiedlichsten Schleusen unter verschiedensten Bedingungen lässt uns jetzt nicht mehr zittern, wenn wir künftig auf eine Schleuse zu fahren.

Die Strecke selber ist zu grossen Teilen nicht ideales Fahrgebiet für Sportboote. Der Mittellandkanal und der Küstenkanal sind eindeutig Bauwerke für die Berufsschifffahrt. Häufig hat man keinen attraktiven Ausblick ins Umland, und die Kanäle verlaufen kilometerweit schnurgerade, so dass man in der Ferne ein Schiff sehen kann, dem man erst in einer Stunde begegnet. Viel spannender waren die Fahrgebiete rund um Brandenburg mit den vielen Seen und flussartigen Wasserstrassen. Und mein Liebling war die Weser, welche träge Richtung Norden mäandert und an deren Ufer viele Natur- und Vogelschutzgebiete eine Beobachtung der gefiederten Flussuferbewohner ermöglichte. Wir benutzten das Fernglas also nicht nur zur Beobachtung des Schiffsverkehrs. Nach der Einreise in die Niederlande spürten wir sofort, wieso diese Region bei Sportbootfahrern so beliebt ist. Der Blick ist frei auf Land und Leute, und man hat immer etwas zu sehen.

Die Infrastruktur ist in den meisten Fällen gut. Nur reisten wir - zumindest gegen Ende der Reise im November - völlig ausserhalb der Saison. Wir wussten deshalb nie, ob das angepeilte Ziel am Abend für uns eine Anlegestelle hat und ob wir Strom anschliessen und Duschen benutzen konnten. Diese Ungewissheit versuchten wir mit vorherigen Anrufen zu beseitigen, konnten aber oft weder telefonisch noch per Mail jemanden erreichen. Das liess uns manche Etappe in angespannter Erwartung absolvieren.

Über die unterschiedlichen Erfahrungen mit Land und Leuten haben wir schon berichtet. Insgesamt machten wir diesbezüglich gute Erfahrungen - mit wenigen Ausnahmen, die die Regeln bestätigt haben. Das Schleusenpersonal war durchwegs freundlich und verständnisvoll, auch wenn wir zwei- oder dreimal nachfragten, bis wir verstanden, wann und wo und wie wir in die Schleuse einfahren und festmachen sollten.

Der Preis für den freundlichsten und hilfsbereitesten Bootskollegen geht natürlich an den unbekannten Niederländer in Groningen, der unser Boot ohne zu zögern bei engsten Verhältnissen in eine freie Box manövriert hat. Gerne bedanken wir uns hier nochmals, obschon er diese Zeilen kaum je lesen wird.

Natürlich werden wir die Reise in dieser Form nicht wiederholen, aber wir sind froh, dass wir uns aus der Komfortzone heraus bewegt und auf das Abenteuer eingelassen haben. Und wir freuen uns auf die nächste Bootsreise, die wir mit Bestimmtheit in einer angenehmeren Jahreszeit und dank der gesammelten Erfahrungen wesentlich entspannter angehen werden. Wohin uns die Strömung treiben wird, wissen wir jedoch noch nicht.