Sonntag 31.10.2021
Wetter: Bewölkt, abends Regen
Windstärke: 4-5
Motorstunden: 0
Distanz: 0 km
Verwundert wachen wir am Morgen erst nach 08:00 Uhr auf. Nach Sommerzeit wäre ja bereits 09:00 Uhr! Uns hat offenbar die Faulheit übermannt. Wir gehen den Sonntagmorgen locker an, mit Duschen, Frühstück und dem Verfassen der Blogbeiträge der letzten beiden intensiven Tage. Draussen pfeift ein kräftiger Wind ums Boot. Wir sind froh, heute nicht fahren zu müssen. Unterwegs im Kanal ist der Wind zwar kein Problem, aber das Boot auf Kurs zu halten, erfordert doch mehr Aufmerksamkeit als bei Windstille. Und das An- und Ablegen sowie das Schleusen bei Wind ist nicht trivial.
Nach dem Mittag nehmen wir den Bus in die Stadt. Nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln muss in den Niederlanden noch die Maske getragen werden. In den Läden und Supermärkten hingegen besteht keine Maskenpflicht. Es war für uns nach anderthalb Jahren Maskierung gestern Abend sehr ungewohnt, mit nacktem Gesicht zusammen mit all den anderen Leuten einzukaufen und dann noch bei einer verschnupften und hustenden Kassierin die Bezahlung abzuwickeln. Die Niederländer sind definitiv lockerer drauf als andere.
Groningen ist eine moderne Provinzhauptstadt mit vielen jungen Studierenden. Heute Sonntag sind viele Leute auf den Flaniermeilen in der Stadtmitte unterwegs. Wir geniessen es, entspannt durch die Stadt zu spazieren und die vielen Läden zu begutachten. Insbesondere bei den Süssigkeiten wird unser Schritt sehr langsam und zögerlich. Aber wir können unsere Gelüste im Zaum halten und kaufen nichts.
Rund um den Grote Markt, dem zentralen Platz in Groningen, sind die Restaurant-Terrassen geöffnet. Alle sind mit grossen Sonnenschirmen ausgestattet, unter denen Heizstrahler für eine angenehme Sitztemperatur sorgen.
Wir wählen jedoch in einem Café den Innenraum, um etwas zu trinken und wenn möglich eine 'Apeltaart' zu essen. Die traditionellen niederländischen Apfeltorten sind legendär. Leider ist diese gerade ausgegangen, so dass ich einen Happy Burger bestelle. Mein Visavis entscheidet sich für ein Cheesecake, überstreut mit kleinen Marshmallows. Lecker! Wir hoffen trotzdem, dass wir vor Ablauf der Reise noch eine Apeltaart geniessen können.
Da das Wetter wieder schlechter wird und Regen angesagt ist, machen wir uns gegen 18:00 Uhr bereits wieder auf den Weg zum Hafen.
Wir nehmen wieder den Bus. Über die Verkehrsführung und den öffentlichen Verkehr hier in Groningen können wir nur staunen. Es gibt fast überall, auch mitten in der Stadt, separate Fahrbahnen für Velos. Dort tummeln sich auch die Roller und Scooter, immer häufiger in der elektrischen Variante. Die Velos haben immer Vortritt, ausser auf den Fussgängerstreifen. Wehe, wenn sich ein Fussgänger auf einen solchen Veloweg verirrt! Er wird gnadenlos zusammengeklingelt. Dementsprechend sind auch sehr viele Radfahrer in der Stadt unterwegs. Darunter sieht man die abenteuerlichsten Gefährte. Eine Grossmutter ist zusammen mit ihrer Enkelin in einer Art Sitztandem unterwegs. Die Sitze sind nebeneinander angeordnet, und es ist hauptsächlich die Enkelin, die das Pedalen übernimmt. Schnuckelig sind auch die Väter, die ihre kleinen Kinder vor sich auf einem Sitz hinter dem Lenker spazieren fahren. Damit der Kleine nicht dem Fahrtwind ausgesetzt ist, ist auf dem Lenker eine kleine Windschutzscheiben montiert. So härzig!
Der Autoverkehr kann zwar auch in der Stadt zirkulieren, ist aber eher bescheiden. Am beeindruckendsten sind jedoch die Busbetriebe 'Qbuzz'. Sie betreiben die Buslinien innerhalb der Stadt, aber auch solche in die Nachbarstädte, z.B. nach Delfzijl. Alle Busse sind 100% elektrisch angetrieben und topmodern ausgerüstet mit Klimaanlage, Wifi und USB-Steckdosen für jeden Sitzplatz! Es riecht nach Zukunft, wenn diese Busse zuhauf flüsternd durch die Stadt kurven. Da hält die Stadt Bern einem Vergleich in keiner Weise stand. Bei uns wird zwischen den Autos und den Velos um jeden Meter Fahrbahn gestritten. Jedes Konzept, das den Zweirädern mehr Raum und bessere Bedingungen zugestehen würde, wird von der Autolobby energisch bekämpft. Und bis BernMobil elektrifiziert ist, wird es wohl noch Jahre dauern. Groningen bekommt für das Verkehrskonzept von mir fünf Sterne!
Am Abend besprechen wir die restlichen Tage unserer Reise. Wir beschliessen, noch einen weiteren Tag in Groningen zu bleiben und nach Möglichkeit Wäsche zu waschen, damit wir nicht allzu abgewrackt nach Hause kommen. Am Dienstag wollen wir weiterfahren. Da das Wetter immer kälter wird und das Boot zwar eine Heizung hat, aber doch nicht wirklich gemütlich warm zu kriegen ist, beschliessen wir zudem, das Boot bereits am Donnerstag in Drachten abzugeben und dann die restlichen zwei Nächte im Hotel zu verbringen. Am Freitag wollen wir uns dann vom Hotel aus Drachten anschauen, bis es am Samstag auf die Heimreise geht. Auf der Bootsfahrt nach Drachten sind noch zwei Schleusen zu überwinden. Zudem müssen, wie dies hier üblich ist, mehrere Klappbrücken durchfahren werden.