Mittwoch 20.10.2021
Wetter: Bedeckt, teilweise sonnig
Windstärke: 3-4
Motorstunden: 8.5
Distanz: 88 km
Schleusen: 1 (Anderten)
Route:
In Sehnde haben wir besser als erwartet übernachtet. Während der Nacht sind nur wenige Berufsschiffe durchgefahren, die uns etwas durchgeschaukelt haben. Wir hatten sogar den Eindruck, dass die Schiffer teilweise vom Gas gehen, wenn sie Boote mit eingeschaltetem Topplicht sehen. Generell sind die Berufsschiffer bei Kreuzungsmanövern sehr besonnen und vorsichtig und trotz der teilweise nahezu 100 m langen Frachtkähne recht wendig.
Nach einer ausgiebigen Dusche legen wir früh ab, da uns eine der längsten Tagesetappen unserer Reise erwartet.
Nach ungefähr anderthalb Stunden erreichen wir die berühmte Schleuse Anderten, auch Hindenburgschleuse genannt. Es ist eines der älteren Bauwerke im Kanal und eindrucksvoll anzuschauen mit den Pumphäuschen und den Sparbecken. Beim Leeren der Schleusenkammer fliessen die oberen zwei Drittel des Wassers in diese Sparbecken, und nur der unterste Teil des Wassers wird in den Kanal abgelassen. So werden Unmengen an Wasser gespart. Beim Hochschleusen wird dann die Schleuse zuerst mit dem Wasser aus den Sparbecken gespeist, und nur der oberste Teil kommt aus dem höhergelegenen Kanalabschnitt. Trotzdem muss jede Nacht wieder Wasser vom unteren Kanal in den oberen gepumpt werden, da der Mittellandkanal keine natürlichen Zuflüsse hat.
Die Schleuse Anderten ist mit 15 m wiederum sehr hoch. Allerdings geht es für uns diesmal abwärts, was meist einfacher zu handhaben ist. Da die Schleuse keine Schwimmpoller hat, müssen wir rund alle 1,5 m die Leinen auf einen niedrigeren Poller umhängen. Das Wasser fliesst recht rasch ab, wir sind einigermassen an der Arbeit, um das Boot schön an der Schleusenwand abwärts gleiten zu lassen.
Wir schaffen auch das, und nach der Schleuse beginnt die lange Fahrt nach Minden. Zuerst geht es nahezu zwei Stunden mitten durch Hannover. Die Stadt ist für Schweizer Verhältnisse riesig und hat einen grossen Binnenhafen.
Am Ende des Binnenhafens überqueren wir auf einer Brücke die Leine, einen kleinen Fluss. Vor und nach dem Brückenbauwerk hat es sogenannte Sicherheitstore. Sollte die Brücke leck werden, können beidseits die Sicherheitstore geschlossen werden.
So verhindert man, dass im Ernstfall der ganze Mittellandkanal ausläuft. Das wäre nicht nur für die Schifffahrt eine Katastrophe, sondern auch für die Anwohner unterhalb des Lecks, wo sich die ganzen Wassermassen in die Landschaft und eben auch in bebautes Gebiet ergiessen würden. Wir haben schon einige solcher Sicherheitstore gesehen.
Auf unserer langen Reise nach Minden begegnen wir sehr vielen Binnenschiffen. Der Mittellandkanal ist eine riesige Schiffsautobahn, teilweise bis 100 m breit, auf der wir mit unserem kleinen Boot stundenlang dahin tuckern. Es ist nicht gerade der spannendste Teil unserer Reise. Didi Hallervorden würde sagen: "Och ist das langweilich!". Aber es gilt aufmerksam zu bleiben, Kurs zu halten, bei Begegnungen mit Berufsschiffen richtig zu manövrieren und allfällige Hindernisse frühzeitig zu erkennen.
Gegen 16:00 Uhr treffen wir schliesslich in Minden ein. Hier kreuzt der Mittellandkanal die Weser, einen weiteren grossen norddeutschen Fluss, der uns später bis nach Bremen führen soll. Das Wasserstrassenkreuz ist voll auf die Berufsschifffahrt ausgerichtet. Die grossen Pötte liegen hier dutzendweise und bekommen alle nötige Versorgung, inkl. Wassertankstelle. Wir schippern an ihnen vorbei zur Marina Minden, wo wir wieder eine Einfahrt wie ein Nadelöhr vorfinden. Wir schaffen es hindurch und kurz nach der Einfahrt so zu drehen, dass wir am Steg anlegen können. Wir melden uns in der Hafenkneipe, zahlen die Hafengebühr und hängen uns an den Landstrom. Da unser Kabel nicht bis zur Steckdose reicht, wird uns sogar ein Verlängerungskabel zur Verfügung gestellt. Ich komme nicht umhin festzustellen, dass die Leute hier eine Spur freundlicher und hilfsbereiter sind als im Osten. Das ist ein völlig subjektives Empfinden, aber in Potsdam und Brandenburg hatten wir eher den Eindruck, dass die Leute denken: "Wat wollt ihr denn hier?" oder "Quatsch mich nur nich an!". Wie auch immer, unterschiedliche Leute gibt es überall. Die Emmentaler sind auch nicht gerade dafür bekannt, dass sie Fremde herzlich empfangen...
In der Nähe des Hafens hat es einen kleinen Supermarkt. Nach dem Einkauf genehmigen wir uns in der Hafenkneipe ein Anlegerbier, oder wie man in den Niederlanden sagen würde, ein "Ankerbiertje".
Morgen steht der Abstieg in die Weser und die Bewältigung von insgesamt vier Schleusen auf dem Plan. Leider wird das Wetter immer stürmischer. Das könnte uns einen Strich durch die Rechnung machen, da wir mit der Charteryacht bei Wind über 4 Beaufort nicht fahren dürfen. Es sind aber 5 und am Nachmittag bis zu 6 Beaufort und viel Regen angesagt. Wir werden am Morgen entscheiden, ob wir losfahren sollen.