Mittwoch 13.10.2021
Wetter: Sonnig, 10-12°
Windstärke: 2-3
Motorstunden: 6
Distanz: 49 km
Schleusen: 1 (Brandenburg)
Route:
Beim Morgenessen überdenken wir unsere Reisepläne. Es gibt mehrere Gründe, wieso wir uns gegen die langersehnte Fahrt mitten durch Berlin entscheiden. Daher werden wir hier etwas ausführlicher:
Das Boot hat laut den Unterlagen eine Höhe von 4.3 m. Um unter der niedrigsten Brücke durchzukommen, müsste der Mast gelegt werden. Das wäre theoretisch möglich, dafür müsste aber das hintere Verdeck teilweise abgebaut werden. Davon hat uns der Techniker bei der Übergabe abgeraten. Seiner Meinung nach sollte das auch nicht nötig sein, das Boot sei mit Mast keine 4m hoch. Na wat denn nun? Ich will dem Herrn nichts unterstellen, aber ich habe gelernt, bei solchen Übergaben nicht blind den Aussagen des Personals zu vertrauen. Denn da hatte ich mal ein Erlebnis, das mir unvergessen bleibt:
Übergabe eines Mietwagens in Miami FL: Der Angestellte erklärt mir, die Tankanzeige sei defekt, aber der Tank sei gefüllt. Ich akzeptiere diesen Mangel (keine Ahnung wieso) und fahre mit der Tankanzeige, die nahe bei "Empty" steht, los. In den Florida Keys, nach etwa 100 Meilen, stottert der Wagen. Ich kann noch knapp auf den Parkplatz bei einem Militärhospital fahren. Nach dem Anruf beim Mietwagenverleih wird mir ein Pannendienst geschickt. Diagnose: Tank leer. Es werden ein paar Liter nachgefüllt, damit ich an die nächste Tankstelle fahren kann. Dort fülle ich etwa 70 Liter nach, was die Tankanzeige mit einem fröhlichen "Full" quittiert.
Fazit: Der dreiste Angestellte hat mich einfach angelogen, um das Tanken zu sparen und mich loszuwerden. Und ich war einerseits blöd genug, ihm zu vertrauen, und andererseits noch blöder, die effektive Menge an Benzin nicht bei der ersten Tankstelle zu überprüfen, sondern vertrauensselig loszufahren. Das soll mir nicht mehr passieren.
Aber nun zurück zu Berlin. Dort ist zudem eine Brücke von 08:00 - 16:00 Uhr wegen Baggerarbeiten gesperrt. Wir müssten also diese Stelle vor Acht Uhr passieren, was sehr knapp wird, da wir erst nach Sonnenaufgang losfahren können und vom letzten Anleger bis zur Brücke mehr als eine halbe Stunde gerechnet werden muss.
Der dritte Grund ist, dass wir uns lieber früher als später auf den Weg Richtung Niederlande machen. So haben wir genügend Reservetage, um auch mal irgendwo abzuwettern, ohne in Stress zu geraten.
Unsere Pläne haben wir also dahingehend geändert, dass wir von Brandenburg nach Potsdam fahren werden. Dort verbringen wir einen Hafentag, damit wir uns diese berühmte Stadt und das Schloss Sanssouci ansehen können. Danach machen wir uns bereits auf den Weg nach Westen. Vermutlich werden wir dann nochmals beim Vercharterer übernachten - in der Hoffnung, dass uns dieser kein Liegegeld verlangen wird. In Brandenburg beträgt die Liegegebühr am Salzhofufer 20€, obschon kein Stromanschluss vorhanden ist!
Um ca. 10:00 Uhr legen wir ab. Nach der Ausfahrt aus der Stadt wartet auf uns bereits die Herausforderung des Tages: Es gilt, die erste Schleuse unseres Lebens zu bewältigen. Wir wollen uns telefonisch anmelden, bekommen aber niemanden an den Apparat. Vor der Schleuse warten bereits zwei Sportboote, so dass wir nicht am Sportbootanleger warten können. Wir dümpeln daneben herum, und bald öffnet sich das Schleusentor und einige Schiffe fahren aus. Danach wechselt die Ampel auf grün. An uns vorbei schiebt sich ein polnisches Frachtschiff in die Schleuse. Danach legen die Sportboote ab, und wir reihen uns mutig hinter ihnen ein. Die Schleusung klappt gut, obschon unsere Nerven ziemlich am Flattern sind.
Als Anfänger dürfen wir uns für diesen Erfolg gratulieren, obschon die Hubhöhe in der Schleuse Brandenburg lächerliche 1.2 m beträgt.
Danach folgt eine entspannte Fahrt über die Havel. Die meiste Zeit tuckern wir mit ca. 9 km/h hinter dem polnischen Frachter, mit dem wir geschleust wurden, dahin. Wir wollen uns auch hier nicht stressen und verzichten auf ein Überholmanöver.
Kurz nach Ketzin biegen wir nach Steuerbord ab in die Potsdamer Havel. Das ist ein wunderschönes naturbelassenes Stück Fluss Richtung Werder. Danach queren wir den kleinen und den grossen Zernsee, den Schwielowsee und biegen bei Caputh in den Templinersee ein. Unser Ziel ist der Yachthafen Potsdam, den wir aufgrund seiner Nähe zum Schloss ausgewählt haben. Wir rechnen mit happigen Hafengebühren. Aber diese werden wir später auf unserer Reise hoffentlich mit einigen freien Liegeplätzen kompensieren können.
Wir werden vom Hafenmeister telefonisch an eine Anlegestelle für Gäste gelotst. Das Anlegemanöver startet gut, aber die ungewohnten hohen Poller, die eher für Kursschiffe gedacht sind, machen uns beim Festmachen Mühe, so dass das Heck weit vom Anleger abtreibt und ich es mit dem Heckstrahlruder so richtig anfängerhaft wieder heranbugsieren muss. Am Schluss klappt das Anlegen, aber ich habe mit dem Manöver fröhliches Hafenkino vom Feinsten geliefert. Wie peinlich.
In der Marina steht eine sehr gute Infrastruktur bereit, mit Strom, Wasser, WC, Duschen, Wifi und einem Restaurant. Wir haben in Brandenburg gelernt, dass uns die Batterien problemlos eine Nacht autark sein lassen. Trotzdem sind wir froh, wieder Landstrom zur Verfügung zu haben. Mit an Bord sind nämlich auch ein Toaster, ein Mikrowellenherd und eben unsere Kaffeemaschine. Alles Geräte, die für uns einen gewissen Unverzichtbarkeitscharakter haben.
Auch heute ist für uns schon um 21:00 Uhr Feierabend. Morgen wollen wir Potsdam erkunden.