Tag 5 - Amsterdam II

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Tag 5 - Amsterdam II
Originelles Hotel in Zaandam

Freitag 16. September 2022 - Heute geben wir das Boot ab und machen uns auf den Weg nach Zaandam, wo wir ein Hotel gebucht haben. Wir planen, das Auto dort zu parkieren und mit dem Zug nach Amsterdam zu fahren.
Wir verabschieden uns von Herrn Kerkvliet von Olympia Charters, der uns bestens betreut hat. Seine Boote sind in einem sehr guten Zustand, und den Service von Olympia Charters können wir wärmstens weiter empfehlen.

Überhaupt sind wir etwas erstaunt, dass es in dieser Region nur sehr wenige Firmen gibt, bei denen man ein grösseres Boot chartern kann. Hier werden offenbar viel häufiger Tagesausflüge mit kleinen Booten gemacht, sogenannten Schaluppen oder Sloeps. Das ist schade, denn das Fahrgebiet ist mindestens so interessant und vielseitig wie dasjenige in Friesland. Zudem liegen viele sehenswerte Städte im Fahrgebiet, neben Amsterdam und Haarlem auch Leiden oder Utrecht.

Abschied von der "Perfect Storm"
Hafengelände Olympia Charters

Unsere Fahrt nach Zaandam verläuft sehr gemütlich. In den Niederlanden gilt auf den Autobahnen tagsüber die Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, und man hält sich generell daran. So fliesst der Verkehr ruhig und flüssig dahin, es kommt weder zu riskanten Überholmanövern und auch weniger zu Staus. Ich bin überzeugt, dass damit auch die Unfallrate merklich sinkt. Aber eigentlich wurde die Massnahme eingeführt, um den Ausstoss an Abgasen, insbesondere Stickoxyd zu verringern.
Die Geschwindigkeitsbegrenzung wird scharf überwacht. Dies geschieht nicht wie bei uns mit Radargeräten. Stattdessen wird die Durchschnittsgeschwindigkeit der Fahrzeuge über eine längere Strecke gemessen. Man ist also nicht nur an einem gewissen Messpunkt gezwungen, sich an die Geschwindigkeit zu halten, sondern über mehrere Kilometer. Man kann von der Vorschrift halten, was man will. Aber das ist eine Massnahme, die ich sympathisch finde, weil sie wirklich etwas bringt und einen kaum einschränkt - ausser dass man ein paar Minuten später und dafür sicherer am Ziel ankommt.

In Zaandam können wir das Auto wie gewünscht auf dem Hotelparkplatz abstellen. Wir begeben uns gleich zum Bahnhof und lösen ein Ticket nach Amsterdam. In den Niederlanden muss man vor jedem Perron durch eine Schranke, die sich nur mit einem gültigen Billett öffnen lässt. Am Ziel muss man sich ebenso wieder auschecken.
Die Fahrt nach Amsterdam verläuft ereignislos, ausser dass der Zug in einem Aquädukt unter dem Noordzeekanaal durchfährt, über den wir zwei Tage zuvor mit dem Boot geschippert sind.

Bahnhof Amsterdam Centraal - Aussenansicht
Bahnhof Amsterdam Centraal - Innenansicht

In Amsterdam trennen sich unsere Wege. Meine Begleiterinnen wollen eine Shoppingtour unternehmen, währenddessen ich mir das Schifffahrtsmuseum anschauen will. Dieses liegt in der Nähe des Bahnhofs und kann über eine Velo- und Fussgängerbrücke erreicht werden. Auch unter dieser Brücke sind wir mit dem Boot durchgefahren und etwas später in die Grachten eingebogen.

Fietsbrug (Velobrücke) zu den Museen
Het scheepvaart nationale maritim museum

Das Schifffahrtsmuseum befindet sich in einem Gebäude, das 1656 von der Adminralität von Amsterdam als Lagerhaus für Handelswaren, aber auch für Schiffsausrüstungen wie Segel und Anker erbaut wurde. Das Gebäude steht auf 2300 Holzpfählen. In den Kellergewölben gab es früher ein Wasserreservoir. Das Wasser wurde in Fässer abgefüllt und auf die Schiffe verladen und diente auf den Seereisen als Trinkwasser. Heute befinden sich in diesen Katakomben die profanen Toiletten und Garderoben.
Noch etwas an diesem Gebäude ist bemerkenswert: Es verfügt über einen grossen Innenhof, der in der Neuzeit mit einer imposanten Glaskuppel überdeckt wurde.
Es gibt also einiges zu schauen, schon bevor man sich in die eigentlichen Ausstellungsräume begibt.

Für Interessierte hat das Museum viel zu bieten. Themen sind beispielsweise die vielen Kriege, die die Niederlande mit anderen See- und Kolonialmächten - hauptsächlich Spanien, Portugal und England - geführt haben, um sich die Handelshoheit in möglichst vielen Regionen der Welt zu sichern. Mir wird die Zwiespältigkeit der historischen Ereignisse bewusst. Einerseits waren die Niederländer äusserst geschickt und innovativ und gehörten zu den erfahrensten Seefahrern und Handelsfachleuten überhaupt. Das machte die Niederlande zu einem der reichsten Länder der Welt. Andererseits wurde durch die Ausstellung auch klar, dass der Reichtum auf der Ausbeutung der Kolonien und auf der Sklaverei basierte. Dieser Zwiespalt ist den Niederländern natürlich bewusst. Dies führt dazu, dass beispielsweise der Admiral Michiel de Ruyter (1607 - 1676), der über Jahrhunderte wegen seiner Erfolge verehrt wurde und als Nationalheld galt, heute kritischer hinterfragt wird, weil er ein klarer Befürworter der Sklaverei war und diese zeitlebens gefördert hat.

Besonders fasziniert hat mich der Ausstellungsbereich, wo es um die Entwicklung der Navigation und der Navigationsinstrumente geht. Diese wäre ein grosses Kapitel in diesem Blog wert. Von einem GPS konnten die Seefahrer im 17. Jahrhundert nur träumen (das haben sie aber wohl nicht getan). Mit einfachsten und doch cleveren Instrumenten und Methoden versuchten sie, die eigene Position zu bestimmen, aber auch die Fahrtrichtung, die Geschwindigkeit und die Wassertiefe. Sehr eindrücklich!

Vor dem Gebäude im Hafen befindet sich die "Amsterdam", die Nachbildung eines holländischen Ostindienfahrers. Sie ist sicher sehenswert, aber der Nachbau scheint mir etwas einfach geraten zu sein. Da würde ich eher den Besuch der "Batavia" in Lelystad empfehlen. Dieses Schiff wurde von Grund auf nach den Originalplänen eines Schiffes nachgebaut, das 1629 vor der westaustralischen Küste wegen eines Navigationsfehlers auf ein Riff gelaufen und gesunken ist. Der Nachbau ist detailgetreu, und das Schiff ist sogar seetüchtig. Auch die Verhältnisse unter Deck sind 'echter' erlebbar. Über die "Batavia" habe ich 2017 kurz berichtet.

Holländischer Ostindienfahrer "Amsterdam" (Nachbau)

Insgesamt hat sich der Besuch des "scheepvaart national maritime museum" sehr gelohnt. Ich bin froh, dass ich mir dafür mehrere Stunden Zeit genommen habe. Nur kurz durchhuschen bringt nichts. Langsam mache ich mich zu Fuss zurück zum Bahnhof. Der Weg führt am Museumshafen vorbei, wo viele typisch niederländische Wasser-Oldtimer aus verschiedenen Epochen anzuschauen sind. Besonders beeindruckt mich ein friesisches Segel-Frachtschiff, das früher mit seiner Ware durch die friesischen Kanäle gesegelt wurde. In anderen Regionen wie England oder Frankreich wurden die Kähne jeweils mit Menschenkraft oder mit Pferden, später auch mit Kanalbahnen oder Autos durch die Kanäle gezogen. In Friesland setzt man auch in Kanälen die Segel!

Friesischer Segelfrachter mit dem typischen Seitenschwert

Die Bahn bringt uns gegen Abend wieder zurück nach Zaandam. Bevor wir im Hotel einchecken, flanieren wir noch durch eine Einkaufsmeile, deren Gebäude den traditionellen farbigen Häusern nachempfunden sind, die für Zaandam typisch sind. Ein Hotel sieht so aus, als seien mehrere solcher Häuser aufeinander geschichtet worden.

Einkaufsmeile in Zaandam

Wir werden solche Häuser noch im Original im Freilichtmuseum "Zaanse Schans" besichtigen können.

Im Hotel schliessen wir den Tag mit einem Abendessen im Hotelrestaurant ab. Die Bewertungen des Restaurants auf Google sind nicht gerade berauschend, aber wir finden das Essen sehr gut, und die Bedienung ist äusserst aufmerksam und freundlich. Entweder haben wir Glück, oder unsere Messlatte ist tiefer angesetzt als bei anderen Gästen. Egal, wir waren zufrieden.