Tag 4 - Rückkehr nach Warmond

Idyllische Fahrt über den Amstel-Drecht-Kanaal und die Drecht durch kleine Dörfer und enge Brücken zurück zu den Kaagerplassen.

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Tag 4 - Rückkehr nach Warmond
Die Flagge zeigt kräftigen Seitenwind

Donnerstag 15. September 2022 - Nach der gestrigen Tour durch Amsterdam starten wir geruhsam in den Tag, geniessen das Ambiente mit dem angenehmen Liegeplatz im Hafen von Uithoorn an der Amstel.

Gestern haben wir offenbar unsere Bootsnachbarn mit unserem Anlegemanöver rückwärts in eine Box beeindruckt. Sie waren am Abend des Lobes voll. Nachdem wir ihnen offenbarten, dass wir Schweizer sind, konnten sie das Manöver erst recht nicht mehr einordnen. Offenbar haben wir auf unserer vierwöchigen Überfahrt im letzten Jahr doch etwas dazugelernt. Hoffen wir, dass wir uns auch bei der letzten Fahrt zurück nach Warmond nicht zum Gespött allfälliger Zuschauer machen.

Gegen Mittag starten wir wiederum den zuverlässigen Motor. Es ist ein Modell von VW Marina. Diese sind bekannt für ihre Verlässlichkeit, und wir sind beeindruckt, wie leise und gemütlich er im Bauch des Schiffes vor sich hin schnurrt. Auch dies ist ein Pluspunkt dieses Charterbootes.

Es geht weiter auf der Amstel bis zu einer Verzweigung, wo wir in den Amstel-Drecht-Kanal abbiegen. Dieser bringt uns zu einem anderen Flüsschen, eben der Drecht. Bevor wir in die Drecht einbiegen, müssen wir noch durch eine kleine Schleuse. Da der Wind inzwischen aufgefrischt hat, schaffen wir es nicht, an Steuerbord anzulegen. Die Leinen müssen über die Poller geworfen werden, und das klappt nur, wenn wir nah genug an der Schleusenwand sind. Die Matrosen geben sich alle Mühe, die Leinen zu werfen, aber schliesslich breche ich ab und wechsle auf die andere Seite, obschon es dort zwischen einem anderen Boot und dem hinteren Schleusentor etwas eng wird. Da wir vom Wind an die Schleusenwand getrieben werden, ist dafür das Anlegen "voll easy". Sobald wir still liegen, stelle ich fest, dass der Schleusenvorgang schon abgeschlossen ist und sich das vordere Tor öffnet. Der Höhenunterschied betrug kaum 30 cm. Normalerweise warten die Schleusenwärter immer mit dem Schleusenvorgang, bis auch das letzte Boot festgemacht hat. Aber dieser hat entweder die Geduld verloren oder darauf vertraut, dass ich das schon noch hinkriege. Item, es hat ja schliesslich geklappt, und wir biegen nach rechts in die Drecht ein.

Auf der Drecht

Die Fahrt geht weiter durch idyllische holländische Landschaft. Da der Fluss eingedeicht ist und der Wasserspiegel geschätzte drei bis vier Meter über dem umliegenden Land liegt, kann man fast von Aussicht sprechen. Vereinzelt taucht ein Dörfchen auf, das wir in gewundener Fahrt durchqueren. Hier ist langsames Fahren angesagt. Mehr als 6 km/h sind nicht erlaubt, damit man nicht die am Ufer festgemachten Boote und Wohnboote ins Schaukeln bringt und beschädigt. Wir queren auch einige kleine Brücken, die alle mit einem Brückenwärter besetzt sind. Die meisten Brücken passieren wir problemlos. Diejenige in Bilderdam liegt jedoch in einer leichten Linkskurve, so dass ich sehr vorsichtig manövrieren muss. Trotzdem touchiere ich bei der Ausfahrt mit dem Bug die Holzwand an Steuerbord. Es gibt keinen Schaden, aber ich bin froh, dass ich die Gedanken des äusserlich ruhig wirkenden Brückenwärters nicht lesen kann. Auch unser Stolz über das Lob der Holländer am Vorabend ist nicht nur verflogen, sondern auf Erbsengrösse zusammengestaucht. So habe ich das Boot fahren bisher erlebt: Es gibt immer wieder neue Situationen, und so entspannt die ganze Sache in der Regel abläuft, manchmal muss man eben doch innert Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen, was eben nicht immer klappt.

Idylle am Wasser
Windmolen

Schliesslich sind alle Brücken abgehakt, und wir biegen in die wunderbare Seenwelt der "Kaagerplassen" ein. Da der Wind inzwischen auf geschätzte 4 - 5 Beaufort aufgefrischt hat, ist das Wasser unruhiger als auf den Kanälen. Das Schaukeln ist auf dieser Reise ein neues Feeling, das ich geniesse.

Da wir noch zu früh für die Rückkehr in den Hafen sind, beschliessen wir, uns ein lauschiges Anlegeplätzchen zu suchen und noch etwas zu chillen oder abzuhängen. Ich wähle einen Steg, auf den der Wind vom See her rechtwinklig auftrifft. So ist das Anlegen ein Kinderspiel. Man muss nur das Boot parallel zum Steg heran manövrieren und dann warten, bis der Wind es an den Steg treibt. Wir haken wieder ein gelungenes Manöver ab. Mit dem Chillen ist das allerdings so eine Sache, wenn das Boot von den Wellen so schaukelt, dass man die Milch vorsichtig in den Kaffee giessen muss.

Wind von Backbord, siehe Flaggen

Nach etwa zwei Stunden beenden wir die Pause und besprechen das Ablegemanöver. Diesmal haben wir den Wind gegen uns. Wir müssen uns ihm widersetzen, um vom Steg weg zu kommen. Und das geht so: Wir lösen alle Leinen bis auf eine, die vom Bug schräg nach hinten an Land angemacht ist. Sie wird im Fachjargon Vorspring genannt. Diese muss vom Boot aus gelöst werden können. Ich fahre vorwärts in diese Leine. Das Ruder ist so eingeschlagen, dass der Bug an den Steg drückt. (Dort muss ein Kugelfender richtig gesetzt sein, damit das Boot keinen Schaden nimmt!) Dadurch schwenkt das Heck gegen den Wind in den See hinaus. Es braucht etwas Geduld und Fingerspitzengefühl, aber wenn das Boot etwa im 45°-Winkel mit dem Heck vom Steg weg zeigt, kann der Rückwärtsgang eingelegt werden. Nun muss die Leine am Bug gelöst und eingeholt werden. Diese Theorie hat bei uns auch in der Praxis funktioniert, leider ohne applaudierende Zuschauer. Und schon sind wir auf dem Weg zurück in den Hafen. Dort legen wir an, und mit etwas Wehmut schalten wir den Motor aus. Wir wissen ja nicht, wann und wo die nächste Bootsfahrt stattfindet. Trotzdem war der Kurztrip ein faszinierendes Erlebnis.

Wir geniessen die geräumigen Duschen und WCs im Hafen. Im Boot ist ja alles so eng, dass man den Körper fast einfetten muss, um überhaupt durch die enge Duschtüre rutschen zu können.

Für den Abend hat uns der Vermieter einen Tisch in der hiesigen Pizzeria reserviert. Wir stossen auf die gelungene Fahrt an und auf die Tatsache, dass diese ohne Schaden an Boot und Besatzung absolviert werden konnte.

Damit ist unsere Hollandreise jedoch noch nicht zu Ende. Wir haben noch für zwei Tage ein Hotelzimmer gebucht und wollen uns unter anderem Amsterdam nochmals von Land aus ansehen. Wenn alles klappt, fahren wir am Samstag noch weiter nordwärts an die Nordseeküste und nach Alkmaar.

Wetter: Ziemlich sonnig und kühl
Windstärke: 3-4
Motorstunden: 4
Distanz: 28 km
Schleusen: 1 (Tolhuissluizen auf dem Amstel-Drecht-Kanaal)
Route:

Von Uithoorn über die Drecht zurück auf die Kaagerplassen und dann nach Warmond